Einladung | 9. Mai 2025 | 19 Uhr.
Weil ich träume, bin ich nicht. Vol. II | Ettore Albert | Malerei
Ettore Albert ist ein visionärer Künstler, der sein Leben der Suche nach Schönheit und Ästhetik widmet – als Mittel, um den menschlichen Geist zu erheben. Seine Philosophie, die auf dem Glauben gründet, dass Schönheit die Welt retten kann, stellt gängige Vorstellungen von Wachstum und Effizienz infrage. Durch seine Kunst lädt er uns ein, die unermessliche Freude der Kreativität zu entdecken und eine Welt zu erträumen, in der Freiheit und Schönheit über allem stehen.
Ausstellung ab Freitag, 9.5.2025 bis 13.Juli 2025
Eröffnung: Einführung: Kathrin Schrader | Musik: August von Arnim




Weil ich träume, bin ich nicht. Vol. II
Ausstellung von Ettore Albert in der Kirche auf dem Tempelhofer Feld | Laudatio am 9. Mai 2025
Ich habe Ettore Albert gefragt, was der Titel der Ausstellung bedeutet. Für mich klang er paradox, man könnte ja auch sagen: Ich träume, also bin ich.
Ettore ist ein passionierter Denker und Gedankenspieler, er zitiert oft aus der Weltliteratur oder einem wissenschaftlichen Werk. Und seine Ideen sprudeln aus ihm heraus, das ist inspirierend, und während ich das schreibe, habe ich die Idee, dass die Haare auf seinem Bild „Mommy“ vielleicht gar keine Haare sind, auch keine Seife, sondern Gedanken, die aus dem Kopf schäumen, kleine und große, die sich zu einer Aura auftürmen, aus der sich dann einige besonders auffällige lösen und im gekachelten Raum umherschweben.
Und Sie haben die Wahl zwischen dem X für STOPP und dem Viereck für AUFNAHME.
Willkommen im Bild-Kosmos des Ettore Albert!
Kein:e Künstler:in kommt um die intensive Auseinandersetzung mit der sie oder ihn umgebenden Welt sowie der Auseinandersetzung mit sich selbst. Das beginnt bei der Frage, wie ein Blatt gebaut ist und führt zu der Überlegung, warum das gerade so wichtig ist.
Sie sehen auf dem Bild dort ein Zitat von Rilke: „Nirgends wird Welt sein als Innen“. Schon wieder so ein Satz, der wie die Katze auf der Tastatur liegt. Wie im Titel der Ausstellung geht es auch in diesem Rilke-Zitat offensichtlich um individuelle Wahrnehmung, also um die Frage: Was sehen wir und warum? Rilke wollte sagen, dass wir die Welt immer nur gespiegelt durch unseren eigenen Erfahrungsraum wahrnehmen können.
Auf den ersten Blick spiegelt die Ästhetik in den Gemälden von Ettore Albert die Erfahrungen seiner Generation wider, die von Popart, Comics, Mangas und digitalen Bildwelten beeinflusst ist. Die Suggestionskraft seiner Arbeiten entsteht durch starke Farbkontraste und die Reduktion auf wenige Bildgegenstände. Insbesondere die Gesichter und Figuren reduziert er aufs Äußerste. Bruchstückhaft sitzen sie im Bild. Unser auf Gesichter und Figuren konditioniertes Sehen ergänzt zuverlässig alles Weggelassene.
Die Figuren bleiben trotz ihrer Präsenz anonym. Das Paar in „Gravity“ könnte irgendein Paar sein. Es scheint in psychedelischer Auflösung begriffen oder in Pixel zu zerfallen. Letzteres erzeugt in meinem Kopf einen Sound.
Was bestimmt unser Menschenbild heute? Die Personen, die ich auf meinem Phon nach rechts oder links wischen kann? Die Ansammlung von Bildpunkten, die ich in Photoshop beliebig verändere? Oder das Erleben als anonymes Teilchen einer Masse, die zu groß geworden ist, Autobahnen und Regionalzüge verstopft, Müllberge erzeugt, verzweifelt Wohnraum sucht und sich sogar im Himalaya ausbreitet?
Manchmal wünschen wir, wir könnten uns so auflösen wie diese beiden, im Moment eines Kusses. Eine wunderschöne Vorstellung, in einem Kuss zu vergehen, in der Verschmelzung mit einer geliebten Person.
Tod, Lust und Schönheit liegen im Bildkosmos von Ettore Albert dicht beieinander. Aus dem Gemälde „Yolandi“ blickt uns ein junger Mensch an, umrahmt von einem Blütenzweig und einer Pistole. In seinem Ausdruck lese ich Wut. Sie erscheint mir im Widerspruch zu der vorsichtigen Art, wie er die Blüte hält und ihren Duft inhaliert. Aber warum empfinde ich das so? Weil Wut sich normalerweise in Aggression entlädt? Dabei hat Wut viel mit Liebe zu tun. Wir sind wütend, weil wir selbst oder etwas, das wir lieben, bedroht ist.
Jede:r von Ihnen wird etwas anderes in diesem Bild entdecken. Und das ist ausdrücklich erbeten! Befragen Sie Ihr INNEN. Sie können den Abend heute auch nutzen, um den Künstler nach seinen Gedanken zu diesem und anderen Bildern zu fragen. Die Gelegenheit ist einmalig!
Ettore Albert spielt mit verschiedenen Techniken. Manchmal malt er skizzenhaft flächig. Der Pinsel hinterlässt kaum eine Spur. Dann wieder trägt er die Farbe pastos auf oder spachtelt sie. Manchmal perlt sie vom Grund, dann wieder kratzt er hinein. In einigen Bildern finden sich feine Zeichnungen. Er arbeitet abstrakt und figürlich, verwendet Buchstaben, Worte, Zeichen oder Formeln, die seinen Bildern etwas Rätselhaftes verleihen.
An der Fachhochschule Potsdam hat er Kurse bei dem polnischen Plakatkünstler Lex Drewinski und dem niederländischen Typografen Lucas de Groot belegt. Beide haben Spuren in seinem Werk hinterlassen. Die Arbeit mit Reduktion und Suggestion erinnert an Plakatkunst, doch Ettores Bilder sind nicht plakativ, sondern bleiben uneindeutig, vielschichtig. Zeichen und Schrift sind darin stets gestalterische Elemente und verweisen darauf, dass jeder Buchstabe einmal ein Bild war, das zu einem Zeichen wurde, das schließlich, stärker abstrahiert, einzeln völlig entleert ist und seinen Sinn nur noch in der Schrift findet.
Auf vielen Bildern stehen wie ein Menetekel das Viereck, das Dreieck, der Kreis und das X. Wer so alt ist wie ich, muss fragen, was sie bedeuten. Jüngere wissen, dass es sich um die Zeichen auf den Bedienungstasten einer Playstation handelt.
Ich habe jetzt ziemlich oft das Verb spielen im Zusammenhang mit Ettore gewählt, weil ich weiß, dass diese Playstation-Formel so etwas wie ein Mantra in seinem Werk ist. Spielerisch schaffen, spielerisch seine Möglichkeiten und Grenzen entdecken, mit der Ernsthaftigkeit spielender Kinder wirken. Denken und Spielen – so könnte Ettores Leben bis jetzt übertitelt sein, doch so leicht, wie das klingt, ist es sicher nicht. Eine solche Haltung muss immer wieder verteidigt werden, auch vor sich selbst.
Jedes von einem Menschen erschaffene Kunstwerk ist eine komprimierte Datei mit Informationen, die nicht jede:r Adressat:in entpacken kann. Erfahrungen und Emotionen müssen sich treffen, miteinander schwingen. Da sind wir wieder bei dem Rilke-Zitat.
Wir wissen nicht mit Sicherheit, welche Gedanken Ettore Albert bewegt haben, als er „Gravity“ malte, aber es könnte sein, dass ein Thema, das uns gerade beschäftigt, beim Anblick des Bildes Resonanz erfährt.
Wir wissen nicht, welche Musik der Maler im Atelier hörte, aber es könnte sein, dass wir einen Sound im Kopf haben, wenn wir das Bild anschauen. Wir wissen nicht, ob seine Kinder gerade bei ihm waren, aber es könnte sein, dass wir an unsere Kinder denken, wenn wir das Bild betrachten. Ettore Albert sagt, dass seine Bilder als Tagebücher gelesen werden können, als Momentaufnahmen seines Lebens, in die auch Kindheitserinnerungen einfließen. Ich denke, dass auch die Orte, an denen der 46jährige gelebt hat, darin komprimiert sind: Rostock, Berlin, Potsdam, das Burgenland in Österreich, wo seine Kinder aufwachsen und er seit zwölf Jahren seinen Wohnsitz hat.
„Farben sind das Beste, das es auf diesem Planeten gibt“, sagte er in einem Gespräch. Dachte er an diesen Reichtum, als er „Gravity“ malte? Oder beschäftigte ihn eine Sorge? Oder beides? Wir können diese Informationen nur von INNEN entpacken, mittels unserer Wahrnehmung und unserer Emotionen.
Kathrin Schrader



